Die natürlichen Grenzen der Wirtschaft

Die natürlichen Grenzen der Wirtschaft

Die Lehre von Nicholas Georgescu-Roegen war sehr geprägt von den Jahren 1936 bis 1948, die er in seiner Heimat Rumänien verbrachte. Dort verglich er die Lehrbücher der Ökonomen mit der Realität seines rückständischen Heimatlandes und kam zu dem Schluss, dass die ökonomischen Standardlehren eine agrarische Volkswirtschaft nicht darstellen und ihr daher auch keine Rezepte liefern konnte. Das neoklassische Marktgleichgewicht kommt laut Nicholas Georgescu-Roegen nämlich nur unter der phantastischen Annahme zustande, dass die Marktteilnehmer ihren Lebensunterhalt bereits haben.

Das Entropiegesetz und der Wirtschaftsprozess

Wenn die Menschen aber nicht wie in der Theorie zwischen Arbeit und Freizeit, sondern zwischen Arbeit und Verhungern wählen müssen, sieht das Bild ganz anders aus. Ende der siebziger Jahre veröffentlichte Nicholas Georgescu-Roegen sein Hauptwerk „Das Entropiegesetz und der Wirtschaftsprozess“. Er stellte darin die Ökonomie als eine Verlängerung der Biologie dar.

Wie das Leben kann die Wirtschaft nicht ohne niedrige Entropie, also konzentrierte Energie, existieren. Das Entropiegesetz ist für Nicholas Georgescu-Roegen die letzte Ursache für ökonomischen Wert und ökonomische Knappheit. Nach dem ersten Hauptsatz der Thermodynamik kann nämlich Energie weder geschaffen noch zerstört werden. Der Begriff Entropie bezeichnet das Maß für den Anteil zerstreuter und nicht mehr nutzbarer Energie.

Das Bruttosozialprodukt sind die Bruttosozialkosten der Lebensfreude

Um die für ihr Leben notwendige niedrige Entropie müssen die Menschen in ihrer Umwelt immer mehr zerstreute Energie erzeugen. Es gibt daher nichts, außer zu einem weit höheren Preis an Entropie. Kein Produkt ist von diesem Phänomen ausgeschlossen. Selbst in so langlebigen Gütern wie Häusern steigt die Entropie ständig, wenn nicht regelmäßig niedrige Entropie hinzugefügt wird. Die Zunahme der Entropie wird selbst durch Recycling nicht gestoppt.

Ökologie und Ökonomie sind laut Georgescu-Roegen nicht zu versöhnen, da der Wirtschaftsprozess aus einer kontinuierlichen Umwandlung von niedriger in hohe Entropie besteht, also in nicht wieder verwertbaren Abfall, in Umweltverschmutzung. Für Nicholas Georgescu-Roegen wäre die Wirtschaft ein absurder Vorgang, wenn das Ziel der Produktion wirklich nur die Produkte wären. Sie sind jedoch nicht die Hauptsache, sondern lediglich Hilfsmittel für das eigentliche Produkt die Lebensfreude. Sie kann den Gütern selbst entspringen, aber auch der Freizeit. Der Ökonom betrachtet das Bruttosozialprodukt als die Bruttosozialkosten der Lebensfreude.

Die Menschheit brachte drei prometheische Innovationen hervor

Ursprünglich deckten die Menschen ihren Bedarf an niedriger Entropie aus der Quelle der Sonne, deren Energie den Mensche bei der Ausweitung ihres Reichtums aber enge Grenzen setzte. Da sich der Mensch damit nicht abfinden konnte, brachte er drei prometheische Innovationen hervor: die Beherrschung des Feuers, die Landwirtschaft und die Dampfmaschine. Nach und nach erschlossen sich auch neue Quellen niedriger Entropie, nämlich die in der Erdkruste gespeicherten Rohstoffe, die jedoch den entscheidenden Nachteil haben, dass sie unweigerlich zu Ende gehen.

Nicholas Georgescu-Roegen schloss nicht aus, dass eines Tages eine neue prometheische Innovation die Lebensgrundlagen der Menschen entscheidend verbessern könnte. Für die Zeit bis dahin schlug er ein bioökonomisches Minimalprogramm vor, um den Prozess der Zunahme der Entropie zu verlangsamen. Unter anderem verlangte er Kriege und die Kriegsproduktion sofort zu stoppen sowie auf Mode und extravagante Konsumgüter zu verzichten.

Außerdem sollten die Industrieländer den Entwicklungsländern einen vernünftigen Lebensstandard ermöglichen und die Weltbevölkerung müsse sich auf einem Level einpendeln, der sich durch organischen Landbau ernähren lässt. Nicholas Georgescu-Roegen hat den Leitsatz geprägt, dass es nicht darauf ankommt, den Wohlstand zu mehren, sondern den Schaden zu minimieren, den der Mensch seinen Lebensgrundlagen zufügt.

Kurzbiographie: Nicholas Georgescu-Roegen

Nicholas Georgescu-Roegen wurde 1906 in der rumänischen Stadt Konstanza am Schwarzen Meer geboren. Nach dem Lyzeum studiert er Mathematik in Bukarest, Paris und London. 1934 wechselte er an die Harvard-Universität in Cambridge. Unter dem Einfluss von Joseph Schumpeter wechselte er dort zur Ökonomie.

Zwei Jahre später kehrte er nach Rumänien zurück. 1948 emigrierte er dann doch endgültig in die Vereinigten Staaten. Dort hatte er von 1949 bis 1976 einen Lehrstuhl für Ökonomie an der Vanderbilt-Universität in Nashville inne. Nicholas Georgescu-Roegen starb 1994 in Nashville im amerikanischen Bundesstaat Tennessee.

Von Hans Klumbies