Für den Chefökonomen der Schweizer Bank UBS, Andreas Höfert, ist die Krise in Europa auf keinen Fall schon vorbei, da die entscheidenden Probleme noch nicht gelöst sind. Seiner Meinung nach gibt es weiterhin ein gewaltiges Gefälle bei der Wettbewerbsfähigkeit zwischen den Nord- und den Südländern. Andreas Höfert erklärt: „Und es gibt zwar eine gemeinsame Währung, aber keine gemeinsame Haushaltspolitik. Solange man diese beiden Probleme nicht löst, kommt die Krise immer wieder.“ Der USB-Chefvolkswirt gibt zwar zu, dass die Markteilnehmer inzwischen ein bisschen mehr Vertrauen gefasst haben und Europa die Krise in Griechenland wenigsten auf kurze Sicht entschärft haben. Selbst die finanzielle Lage der Banken hat sich gebessert.
Die Europäische Zentralbank hat einen guten Job gemacht
Aufgrund dieser positiven Entwicklungen muss sich die Politik nicht mehr ständig Sorgen um die Banken machen und kann sich nun auf den Abbau der Staatsschulden konzentrieren. Andreas Höfert lobt den Einsatz der Europäischen Zentralbank (EZB) bei der Bekämpfung der Eurokrise: „Die Europäische Zentralbank hat bewiesen, dass sie den Job einer Zentralbank macht. Dass sie also nicht nur gegen die Inflation kämpft, sondern auch das System stabilisiert, indem sie „Lender of last Resort“ ist – Kreditgeber der letzten Zuflucht.“
Für Andreas Höfert steht allerdings auch fest, dass die Krise in Europa wieder schneller hochkochen wird, als die Politiker denken. Er geht davon aus, dass sich die Krise in sechs bis achtzehn Monaten zurückmelden wird. Als einen Grund dafür nennt er die schwierige Lage in Portugal. Andreas Höfert erläutert: „Das Land wird auch einen Schuldenschnitt brauchen. Alle Rettungspläne gehen nur bis 2013. Danach müsste Portugal eigentlich wieder an die Finanzmärkte. Aber das Land schafft das natürlich nicht.“
Die Inflation dient den Staaten zum Schuldenabbau
Auch Spaniens finanzielle Zukunft ist laut Andreas Höfert noch lange nicht gesichert. Er weiß, dass an den internationalen Finanzmärkten immer mehr Teilnehmer die Frage stellen, ob die Zahlen, die Spaniens Regierung über die wirtschaftliche Entwicklung verkündet, überhaupt der Wahrheit entsprechen. Auch Griechenland wird seiner Meinung nach auf jeden Fall noch einmal neues Geld benötigen, da das kränkelnde Land nur vorübergehend aus der Schusslinie genommen ist. Spätestens nach 2014 braucht Griechenland einen neuen Rettungsplan.
Durch die ständige Rettung des Euro wird es in Europa zu inflationären Tendenzen kommen. Andreas Höfert erläutert: „Aber die Inflation wird weniger durch die Rettungspakete selbst entstehen als vielmehr deshalb, weil Inflation die Lösung ist, wie die Staaten wieder von ihren Schulden herunterkommen.“ Denn die Staaten werden seiner Meinung nach die Schulden nur wieder los, wenn sie Bankrott anmelden oder die Schulden durch Inflation schleichend entwerten. Die Politiker werden auf jeden Fall die zweite Variante wählen.
Von Hans Klumbies