Der Star-Ökonom Jagdish Bhagwati glaubt, dass die Errungenschaften der Globalisierung in Gefahr geraten könnten, weil selbst die ökonomische Welt plötzlich wieder in Grenzen denkt. Er kritisiert den Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman, der Hilfsgelder nach dem Motto verteilen möchte: „Wir zahlen für den Aufschwung, also bleiben die Aufträge hier.“ Für Jagdish Bhagwati sich solche Ansichten nicht zu akzeptieren: „Ich kann davor nur warnen: Das schafft vielleicht kurzfristig ein paar Jobs mehr, ist aber letztlich äußerst naiv und gefährlich.“
Die unkontrollierten Finanzströme sind schuld an der Weltwirtschaftskrise
Jagdish Bhagwati weist nachdrücklich auf die negativen Auswirkungen einer solchen Wirtschaftspolitik hin. Länder wie Indien und China, die gerade zu Weltwirtschaftsmächten aufsteigen, werden sich dagegen wehren und ihrerseits neue Strafzölle für amerikanische Waren einführen. Daraus können neue Handelskriege entstehen und der Wirtschaft der Industrienationen schweren Schaden zufügen. Der Slogan „Buy American“ – kauft amerikanische Produkte ist für Jagdish Bhagwati kontraproduktiv: „Das ist grotesk. Als wäre der Welthandel schuld an der Krise.
Der Starökonom erklärt den Unterschied zwischen der Finanzwirtschaft und der Realwirtschaft: „Der Finanzsektor ist wegen größerer Risiken viel schwieriger zu liberalisieren als der Gütermarkt.“ In der Realwirtschaft werden Fehlentwicklungen nicht sofort bestraft. Und selbst wenn Konzerne untergehen, wird nicht gleich das ganze Wirtschaftssystem bedroht. Die Finanzmärkte dagegen verhalten sich ganz anders. Hier sind die Schwankungen viel größer. Wenn hier etwas schief läuft, kann eine dramatische Abwärtsspirale entstehen.
Jagdish Bhagwati kritisiert den Internationalen Währungsfonds
Auf den Finanzmärkten werden gewaltige Summen hin und her geschoben. Immer größere Volatilität nach oben oder unten kann zu unberechenbaren Folgen führen. Jagdish Bhagwati erklärt: „Kontrolliert liefern Finanzmärkte Energie, außer Kontrolle große Zerstörung.“ Der Ökonom plädiert deshalb dafür, dass der Finanzsektor einer strengeren Aufsicht unterzogen wird. Außerdem muss der Einfluss der Finanzmärkte auf die Politik unterbunden werden.
Jagdish Bhagwati kritisiert den Internationalen Währungsfonds, der nach der Krise lediglich feststellte, dass die Bankenstruktur nicht stark war. Der Starökonom fragt sich: „Wozu beschäftigt der IWF 5.000 Ökonomen, wenn er solche Krisen nicht ansatzweise erkennt.“ Auch auf Europa ist Jagdish Bhagwati nicht gut zu sprechen, da viele europäische Länder viele Jahre über ihre Verhältnisse gelebt haben. Sie werden dafür eine teure Rechnung präsentiert bekommen.
Jagdish Bhagwati: „Europa wird die Krise meistern“
Der Verteidiger der Globalisierung glaubt allerdings nicht, dass es in Europa Staatspleiten geben wird. Auch für die Stabilität des Euros sieht er keine Gefahr. Jagdish Bhagwati stellt klar: „Klar: Viele Länder müssen sparen – bis an die Grenzen des Machbaren. Es werden schwere Jahre, aber Europa wird die Krise meistern.“ Die Haushaltsdisziplin der einzelnen Länder hat dabei absoluten Vorrang.
Für Jagdish Bhagwati ist es beispielsweise nicht entscheidend, ob Deutschland ein paar Euro mehr oder weniger investiert, da dies für die Erholung der Weltwirtschaft keine Rolle spielt. Der Aufschwung wird von den Vereinigten Staaten von Amerika und Asien getragen werden. Der weltweiten Konjunkturerholung wird auch helfen, dass China und Indien dringend eine neue Infrastruktur brauchen – und zwar möglichst heute.
Kurzbiographie: Jagdish Bhagwati
Jagdish Bhagwati wurde 1934 im indischen Bombay geboren und zählt heute zu den weltweit führenden Ökonomen. Bekannt wurde er vor allem als Vordenker der Globalisierung. Er studierte in Cambridge, Oxford und am Massachusetts Institute of Technology (MIT). Der Starökonom setzt sich seit Jahrzehnten für den freien Welthandel ein. In seinen zahllosen Büchern und Aufsätzen lobt Jagdish Bhagwati die Bedeutung der Globalisierung im Kampf gegen die weltweite Armut.
Aus seinen Studien geht hervor, dass durch den Ausbau des Welthandels etwa 500 Millionen Menschen sich aus der Armut befreien konnten. Der Wirtschaftswissenschaftler gilt außerdem als Vater des indischen Wirtschaftswunders. Zu seinen Schülern zählten unter anderen der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman und Kenneth Rogoff.
Von Hans Klumbies