In Deutschland fühlt sich die Mittelschicht bedroht

In Deutschland fühlt sich die Mittelschicht bedroht

Die deutsche Gesellschaft entwickelt sich infolge der Weltwirtschaftskrise immer mehr in eine Risikogesellschaft, in der Menschen aus der einst sicheren Mittelschicht ganz schnell nach unten bis zu Hartz IV durchgereicht werden können. Kein Deutscher kann sicher sein, es im Leben zu etwas gebracht zu haben, denn ganz schnell kann er wieder zu den Gestrandeten gehören, weil der globale Kapitalismus seinen Arbeitsplatz vernichtet hat. Die hässliche Fratze der entfesselten Marktwirtschaft trifft plötzlich nicht nur die Geringverdiener und die schlecht Ausgebildeten, sondern die breite Masse der Bevölkerung in Deutschland.

StreichlisteKein Arbeitsplatz ist mehr sicher

Die Menschen der Mittelschicht, die viel erreicht haben, müssen nun befürchten, alles zu verlieren, wofür sie ein Leben lang gearbeitet haben: ihr Haus, ihr Vermögen und ihre Rolle in der Gesellschaft. Der Absturz geschieht bei manchen schleichend, bei anderen vollzieht er sich im freien Fall. Inzwischen lösen sich nicht nur einfache Jobs in Luft auf, sondern auch hoch qualifizierte Stellen. Sie werden entweder ins Ausland verlagert oder ganz gestrichen.

Die Vernichtung von Arbeitsplätzen findet schon längst nicht mehr nur in den Fabrikhallen statt, die Jobs an den Schreibtischen werden auch wegrationalisiert. Selbstverständlich entstehen auch wieder neue Jobs, nur sie nutzen jenen Menschen nichts, deren Wissen und Fähigkeiten auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr gefragt sind.

In einer entfesselten Marktwirtschaft fürchten alle den Aufstieg zu verpassen

Doch nicht nur die Arbeitsplätze der Mittelschicht sind bedroht. Der schwunghafte Handel der Banken untereinander mit Kreditverträgen hat ihre Gläubiger ungewollt auf die globalen Finanzmärkte geschleudert. Millionen von Immobilienbesitzern wurden von einer Bank zur anderen gereicht und viele verloren dabei ihr Haus, obwohl sie ihre Schulden bezahlt hatten. Die Eigentümer der Immobilien wurden mit rabiaten Methoden mürbe gemacht und ihre Immobilen zwangsversteigert. Das ist kein amerikanisches Phänomen, sondern auch in Deutschland eine verwerfliche Praxis.

Die entfesselte Marktwirtschaft hat sich auch längst in den Kinder- und Wohnzimmern der Menschen eingenistet. Damit die deutschen Kinder schneller im globalen Markt mitmischen können, muss der Stoff des Gymnasiums jetzt in acht Jahren gelernt werden, wofür die Kinder früher ein Jahr länger Zeit hatten. Die Folgen für die Kinder und die Schulen sind katastrophal. Die Eltern sind teilweise heillos überfordert, die Kinder leiden unter Stress. Alle fürchten sich den Anschluss zu verlieren und den Aufstieg zu verpassen.

90 Prozent der Deutschen wünschen sich einen stärkeren Staat

Inzwischen hat die Weltwirtschaftskrise solche Ausmaße angenommen, dass die Menschen beginnen, sich vor dem Kapitalismus zu ängstigen. Das Misstrauen gegen die Kräfte des Marktes hat inzwischen breite Schichten der Gesellschaft erfasst. In Deutschland empfindet inzwischen eine überwältigende Mehrheit der Bürger die Globalisierung als ernsthafte Bedrohung ihres Lebensstandards.

90 Prozent der Deutschen wünschen sich inzwischen sogar wieder einen stärkeren Schutz durch den Staat. Immer mehr Menschen sehnen sich nach einem dritten Weg zwischen Kapitalismus und Sozialismus, der ihnen auf der einen Seite ihre Freiheit lässt, auf der anderen Seite aber auch für mehr Ausgleich sorgt, mehr Sicherheit und Stabilität garantiert.

Von Hans Klumbies