Das ganzheitliche Denken des Ökonomen Edgar Salin

Das ganzheitliche Denken des Ökonomen Edgar Salin

Als Wissenschaftler plädierte Edgar Salin in der Tradition von Alexis de Tocqueville, Friedrich List und Karl Marx für eine historisch, soziologisch, philosophisch ausgerichtete Ökonomie, die an der politischen Wirklichkeit ausgerichtet sein muss. Das nationalökonomische Hauptwerk von Edgar Salin trägt den Titel „Geschichte der Volkswirtschaftslehre“, das er in der fünften Auflage1967 in „Politische Ökonomie“ umbenannte. In diesem Buch beschreibt er meisterhaft das Verhältnis von Geschichte und Ökonomie. Er lehrt darin kein Patentrezept oder Modell, noch eine Sehweise, woraus sich irgendein Ismus ableiten ließe. Es handelt sich dabei vielmehr um einen interdisziplinär angelegten Erkenntnisprozess, der die Unterscheidung von Gesamterkenntnis und Teilerkenntnis zur Grundlage hat.

Edgar Salin forderte eine gemeinsame Wirtschaftspolitik der Europäischen Union

GlobalisierungEdgar Salin war davon überzeugt, dass jede ökonomische Theorie aufgrund ihrer Prämissen nur Teilerkenntnisse liefern und nur einen Teil der Wirklichkeit abdecken, erklären und gestalten kann. Edgar Salin wollte mit seinem Ansatz aber eine Gesamterkenntnis der Wirtschaft und des Wirtschaftens liefern. Er schrieb: „Doch steht die Theorie vor der Geschichte, was nicht bedeutet, dass die Theorie Vorrang vor der Geschichte hat, wohl aber, dass keine Geschichte ohne Theorie möglich ist.“

Edgar Salin gehörte zu den ersten Ökonomen, die für ein allgemeines „Alignment der Währungen“, also einer Korrektur der Währungsordnung von Bretton Woods, eintraten. Schon im Jahr 1960 verlangte er ausdrücklich eine Änderung der Dollarparität. Edgar Salin war auch einer der ersten, der sich mit einer europäischen Währungsunion auseinandersetzte. Schon im Jahr 1972 schrieb er: „Notwendig für eine Währungsunion, die Bestand haben soll, ist nicht nur die Einigung über die Währungspolitik, sondern ist eine gemeinsame Wirtschaftspolitik, Verkehrspolitik, Sozialpolitik und Bildungspolitik.“

Die Theorie kann nur einen ganz kleinen Teil zur Politik beitragen

Der Ökonom Edgar Salin vertrat vielfach die Positionen von John Maynard Keynes, lehnte es jedoch ab von einer keynesianischen Revolution zu sprechen. Für das beste Werk seines Kollegen hielt er den „Tract on Monetary Reform“. Er schrieb darüber in folgenden Worten: „Im „Tract“ hat Keynes alles Zeitgemäße so eindeutig gesagt, dass auch in Zukunft jeder Währungspräsident in einem absolutistischen Staat hier alles Wesentliche über die Chancen, die Waffen und die Grenzen seiner Macht finden wird.“

Edgar Salin war davon überzeugt, dass nur derjenige als Weiser bezeichnet werden kann, der die Grenzen der Theorie kennt und sich darüber bewusst ist, dass die Theorie nur einen ganz kleinen Teil zur Politik beitragen kann. Jeder politische Ökonom hat seiner Meinung nach die Aufgabe, einen Weg aufzuzeigen, der dem Einzelnen und den Völkern, Europa und der Welt das noch erreichbare Maß von persönlicher, wirtschaftlicher und sozialer Freiheit zu wahren gestattet.

Kurzbiographie: Edgar Salin

Edgar Salin wurde am 10. Februar 1892 in Frankfurt am Main geboren. Er studierte von 1910 bis 1914 in Heidelberg, München und Berlin Nationalökonomie und Jura, daneben noch Kunst- und Literaturgeschichte sowie Philosophie. 1914 promovierte er bei Alfred Weber mit einer Dissertation über die wirtschaftliche Entwicklung Alaskas. 1920 habilitierte sich Edgar Salin in Heidelberg über „Platon und die griechische Utopie“ und wurde vier Jahre später dort zum Professor berufen.

Von 1927 bis 1962 lehrte er als außerordentlicher Professor an der Universität Basel. Den Ruf nach Basel anzunehmen, rechtfertigte er mit folgenden Worten: „Angesichts des bereits spürbaren Niedergangs des deutschen Geistes erscheint mir der noch lebendige Humanismus von Stadt und Universität Basel als der beste Ort europäischer Wirkung.“ Edgar Salin starb am 17. Mai 1974 in Montreux am Genfer See.

Von Hans Klumbies