Die deutsche Angst vor der Selbstständigkeit

Die deutsche Angst vor der Selbstständigkeit

In Deutschland geht die Angst um, wenn es um die Gründung eines Unternehmens geht. Seit Jahren stagniert der Anteil der Selbstständigen an den Erwerbstätigen in Deutschland zwischen zehn und elf Prozent. Laut Institut für Mittelstandsforschung waren in den fünfziger Jahren rund 30 Prozent der Deutschen selbstständig. Vom ehemaligen Gründerenthusiasmus ist nichts übrig geblieben. Dafür hat sich eine tiefe Furcht vor dem Scheitern in die Köpfe der Deutschen eingeschlichen. Vor allem die Jungen meiden die Selbstständigkeit. Das hat der Bund Deutscher Psychologen (BDP) in einer Studie über erfolgreiches Unternehmertum herausgefunden.

In Deutschland ist das Scheitern eine Katastrophe

Die Ursachen dieser Angst beschreibt die Hamburger Beraterin Marie-Dorothee Burandt, Mitautorin der Studie, wie folgt: „Man kann hier nicht weich fallen. Wer in Deutschland als Selbstständiger scheitert, steht nur schwer wieder auf. Das Bild, nichts zu taugen, es nicht geschafft zu haben, haftet an einem wie ein Makel.“ Bei einem Vergleich von Deutschland mit den USA stellt sich heraus, dass im Land der Pioniere das Aufstehen zum Scheitern dazugehöre. Hinfallen sei dort nicht so schlimm, in Deutschland komme es einer Katastrophe gleich.

SelbstständigkeitAndere Studien zeigen, das Selbstständige anders als Angestellte eine große Offenheit für Innovationen mitbringen, gerne mit Menschen zusammen sind und sehr genau arbeiten. Darüber hinaus strahlen sie Gelassenheit aus, sind selbstsicher und lassen sich nicht leicht erschüttern. Zu ihren Stärken zählt auch, dass sie nicht so verträglich sind.

Die Persönlichkeitsmerkmale erfolgreicher Unternehmer

Elke Schröder, Entwicklungspsychologin an der Universität Jena, erklärt die positiven Eigenschaften der Unverträglichkeit: „Unternehmer müssen streitbar sein, sie dürfen es nicht allen recht machen wollen. Schließlich kämpfen sie dafür, ihr Produkt oder ihre Dienstleistung am Markt durchzusetzen. Die BDP-Studie weist auf mehrere Persönlichkeitsmerkmale hin, die Selbstständige besitzen sollten, um erfolgreich zu sein.

Sie bevorzugen beispielsweise Aufgaben, die eine Herausforderung für sie bedeuten. Außerdem schreiben sie ihre Erfolge den eigenen Fähigkeiten zu. Zudem lieben sie ihre Unabhängigkeit. Wichtig für den unternehmerischen Erfolg ist auch die Fach- und Sozialkompetenz und die Fähigkeit zur Selbstführung. Unternehmern, denen es gelingt, sich immer wieder positiv selbst zu beeinflussen und sich zu motivieren, steigern ihre Leistungsfähigkeit und Zufriedenheit.

Das Image der Selbstständigkeit muss sich in Deutschland verbessern

Um jungen Deutschen die Selbstständigkeit schmackhaft zu machen fordert der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Martin Wansleben: „Wir brauchen in Schulen und Universitäten eine deutschlandweite Offensive für das Verständnis von Unternehmertum.“ Denn vielen Gründern in Deutschland fehle es an Pioniergeist, ausgefeilten Geschäftskonzepten und innovativen Gründungsideen. So steht es im aktuellen Gründerreport des DIHK.

Viele Gründer würden auch aus der Angst vor der Arbeitslosigkeit eine Firma gründen und nicht weil sie von einem unternehmerischen Geist beseelt wären. Gundula Zierott von der Hamburger Lawaetz-Stiftung, weiß warum Gründer so oft scheitern: „Sie schätzen die Chancen und Risiken ihrer Idee falsch ein. Vor allem diejenigen ohne Branchen- und Marktkenntnis enden oft im Abseits und damit in der Insolvenz.“

Gundula Zierott berät seit sieben Jahren Existenzgründer und weiß, was für den unternehmerischen Erfolg unerlässlich ist: „Die gute Vernetzung zu potentiellen Kunden.“ Aber solange sich das gesellschaftliche Image der Selbstständigkeit nicht deutlich verbessert, bleibt die Furcht vor der Selbstüberforderung, die den Gründerwillen schwächt, in Deutschland erhalten.

Von Hans Klumbies