Die Freiheit darf sich nicht auf die Eliten beschränken

Die Freiheit darf sich nicht auf die Eliten beschränken

Laut Lisa Herzog muss derjenige, der ein Leben in Freiheit führen möchte, den ungezügelten Markt bekämpfen. Der Grundwert des Liberalismus ist ihrer Meinung nach die Freiheit des Individuums. Rechte sichern diese Freiheit. Sie schützen die Religion, die eigene Meinung und deren Äußerung sowie den Lebensstil vor willkürlichen Zugriffen. Lisa Herzog erklärt: „Diese wiederum müssen selbst durch staatliche Instanzen durchgesetzt werden – schon in diesem Sinne kann  ein konsistenter Liberalismus nicht völlig vom Staat absehen. Lisa Herzog hat Philosophie und Ökonomie studiert, an der Universität Oxford über Georg Wilhelm Friedrich Hegel und Adam Smith promoviert und habilitiert sich jetzt an der Universität St. Gallen.

Die verschiedenen Spielarten des Wirtschaftsliberalismus

Lisa Herzog vertritt die These, dass ein wesentlicher Strang in der Geschichte liberaler Gesellschaften gerade in den Kämpfen bestand, welche Rechte für welche Gruppen vom Staat anerkannt und durchgesetzt werden sollen. Immer war es dabei das Recht des Einzelnen auf ein Leben in Selbstbestimmung und Eigenverantwortlichkeit, das im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen stand. In der Wirtschaftspolitik wurde der freie Markt als Ausfluss einer privaten Eigentumsordnung gefeiert und als Instrument zu Dezentralisierung von Macht angesehen.

Dieser Wirtschaftsliberalismus kennt laut Lisa Herzog verschiedene Ausformungen, von den anarchistisch anmutenden Fantasien einer Ayn Rand bis hin zur Freiburger Schule, die staatliche Aufsicht als notwendige Bedingung für die Verhinderung von Kartellen und Monopolen ansah. Lisa Herzog ergänzt: „In letzter Zeit waren es vor allem die neoliberalen Schlachtrufe Chicagoer Provenienz, die sich für den brachialen Abbau von Staatstätigkeit fast jeder Art einsetzen – eben fast alles, was über den Schutz individueller Rechte hinausgeht.“

Der Begriff der Freiheit muss immer wieder neu ausgehandelt werden

Lisa Herzog stellt die Frage, ob eine Gesellschaft mit großen wirtschaftlichen Ungleichheiten auf Dauer die Freiheit aller Bürger gewährleisten kann, oder ob sie über kurz oder lang in neofeudale Strukturen absackt. Hier würden dann Kaufkraft und politische Macht Hand in Hand gehen und vor allem die Freiheit einer winzigen Spitzengruppe garantieren. Lisa Herzog sagt: „Das historische Experiment läuft – viel Anlass zu Optimismus bietet es derzeit nicht.“

Für Lisa Herzog lässt sich die Freiheit der Bürger, die in einem Staat leben, in dem sie mitreden und mitentscheiden können, weder auf den ungestörten Genuss privater Rechte, noch auf die sozialstaatliche Absicherung eines selbstbestimmten Lebens reduzieren. Lisa Herzog erklärt: „Freiheit heißt dann auch, an den Prozessen teilnehmen zu können, durch die die eigene Gesellschaft immer neu aushandelt, was „liberal“ konkret bedeuten kann: wie Freiheit heute auszulegen ist, welche Aspekte von Freiheit wie zu gewichten sind und wie Freiheit mit anderen Werten, wie ökologischen und sozialen Zielen, abgestimmt werden kann und muss.“

Von Hans Klumbies