Für Nouriel Roubini gibt es keinen Zweifel daran, dass die Konjunkturprogramme, die die meisten Industriestaaten und Schwellenländer in den Jahren 2008 und 2009 auflegten, das Umkippen der großen Rezession und eine große Depression verhindert haben. Nouriel Roubini schreibt: „Dies gelang zusammen mit einer Lockerung der Geldpolitik und der Stützung des Finanzsystems.“ In einer Zeit, in dem es fast keine private Nachfrage mehr gab, verhinderten niedrigere Steuern und höhere staatliche Ausgaben den freien Fall der Weltwirtschaft ins Bodenlose und schuf die Basis für eine Erholung. Nouriel Roubini ist Professor für Ökonomie an der Stern School of Business der New York University. Er warnte schon 2004 vor der US-Immobilienblase.
Viele Industrienationen plagen gewaltige Haushaltsdefizite
Die Konjunkturausgaben und Rettungssysteme für das Finanzsystem und die Auswirkungen der Rezession auf die Einnahmen des Staates haben in vielen Ländern zu gewaltigen Haushaltsdefiziten geführt. Sie betragen im Durchschnitt etwa 100 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Laut einer Studie des Internationalen Währungsfonds werden die Schulden bis 2015 auf mehr als 110 Prozent steigen. Vor der Weltwirtschaftskrise waren es nur 70 Prozent. Auch langfristig werden sich laut Nouriel Roubini die Industriestaaten immer mehr verschulden, weil die Bevölkerung rasch altert. Die Rentenversicherungen sind unsolide finanziert und die Kosten im Gesundheitswesen werden weiter steigen.
Also müssen die Haushaltsdefizite in den meisten Industriestaaten verringert werden, um einen späteren Zusammenbruch des Staatshaushalts zu verhindern. Doch der Internationale Währungsfonds macht darauf aufmerksam, dass Steuererhöhungen und ein Herunterfahren der Staatsausgaben kurzfristig eine negative Auswirkung auf die Gesamtnachfrage haben. Nouriel Roubini konkretisiert diesen Sachverhalt: „Dadurch verstärken sich Tendenzen zu Deflation und Rezession – und untergraben die Haushaltskonsolidierung.“
Nouriel Roubini kritisiert die Sparpolitik der Bundesregierung
An den Rändern der Eurozone sieht Nouriel Roubini das Problem der so genannten „Bond vigilantes“. Das sind Investoren, selbsternannte Hüter der Staatsfinanzen, die fordern, dass Griechenland, Irland, Spanien, Italien und Portugal der Haushaltskonsolidierung oberste Priorität einräumen. Andernfalls würden die Kreditkosten dieser Länder enorm steigen, was den Markzugang gefährden und eine Staatsschuldenkrise auslösen konnte. Nouriel Roubini kritisiert diese Investoren und schreibt: „Ihnen ist es egal, dass eine vorgezogene Etatkonsolidierung die Rezession verschärft und so die angestrebte Reduzierung von Schulden und Defiziten fast unmöglich zu erreichen macht.“
Nouriel Roubini rät der Europäischen Zentralbank ihre Geldpolitik zu lockern, um den Wert des Euro zu senken und das Wachstum der Staaten an den Rändern der Europäischen Union aus eigener Kraft zu fördern. Für Deutschland hat der Starökonom folgenden Tipp: „Und Deutschland sollte vorübergehend Steuern senken, um das verfügbare Einkommen und die deutsche Nachfrage für die Güter und Dienstleistungen der Randstaaten zu erhöhen.“ Nouriel Roubini kritisiert also die strenge Geldpolitik der Europäischen Zentralbank und die Sparpolitik der Bundesregierung.
Nouriel Roubinis optimale Sparpolitik
Laut Nouriel Roubini sind die europäischen Randstaaten im Moment zu einer destruktiven, deflationären und rezessiven Politik verurteilt. Der Wirtschaftswissenschaftler erklärt: „Dies verstärkt aber nur die Risiken für Rezessionen, Insolvenzen, spätere Zahlungsausfälle und möglicherweise einen Ausstieg aus dem Euro.“
Eine optimale Sparpolitik heißt für Nouriel Roubini die Verpflichtung zur mittelfristigen Konsolidierung zurückzustellen, aber glaubhaft die Verpflichtung dazu einzugehen. Dadurch würde seiner Meinung nach die Möglichkeit einer deflationären und rezessiven Spirale verhindert. Nouriel Roubini beklagt: „Leider folgen die meisten Industrieländer nicht einem solchen Kurs.“
Von Hans Klumbies