Peter Bofinger: „Deutschland droht eine Deflation“

Der Würzburger Wirtschaftswissenschaftler Peter Bofinger fordert von der Bundesregierung ein Ende der wahnsinnigen Pläne von Steuersenkungen. Im Gegenzug müsse endlich mehr für Investitionen getan werden, sagt der Ökonom, der zu den fünf Wirtschaftsweisen zählt. Auch in Deutschland könne eine ähnliche Angststarre die Wirtschaft befallen, die in Japan zehn Jahre anhielt. Die Bundesrepublik bewege sich seit Jahren am Rande einer Deflation und der gesamten Weltwirtschaft stünden schwierige Zeiten bevor. Die Bundesbürger müssten sich auf einige magere Jahre einstellen.

Die Folgen einer Deflation für die Wirtschaft

Laut Peter Bofinger ist das Preisniveau in Deutschland seit Monaten nicht mehr gestiegen, wenn man die Preise für Energie nicht berücksichtigt. Der Ökonom kann auch drei Jahre nach dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise von einer Neugestaltung des Bankensystems nichts erkennen. Deutschland ist erstarrt und wartet darauf, dass die Bürger anderer Staaten wieder mehr konsumieren und so die deutsche Exportwirtschaft ankurbeln. Peter Bofinger befürchtet, dass sich Deutschland auf eine längere Phase der Stagnation einstellen muss, weil die Wachstumstreiber nicht vorhanden sind.

Peter Bofinger erklärt die negativen Folgen einer Deflation für die Wirtschaft. Die Arbeitslosigkeit ist wegen der Weltwirtschaftskrise weltweit stark angestiegen. Deutschland konnte sich diesem Trend aufgrund der Kurzarbeit teilweise entziehen. Dennoch stagnieren die Löhne der Angestellten oder gehen sogar zurück. Wer aber keinen Job hat oder mit Lohnkürzungen leben muss, kann weniger Geld für den Konsum ausgeben. Daraus folgt, dass Unternehmen ihre Preise senken müssen und Rabatte geben müssen.

Die Bundesregierung muss gezielt Investitionen fördern

Peter Bofinger erklärt: „Lange Phasen sinkender Preise fügen der Gesamtwirtschaft schweren Schaden zu. Sie leiten eine Spirale nach unten ein. Unternehmen leiden bei einer Deflation nicht nur unter dem Zwang, die Preise zu senken. Häufig wird übersehen: Sie sind auch der größte Schuldner unserer Volkswirtschaft.“ Eine Deflation benachteilige Schuldner, deren Verbindlichkeiten steigen. Das habe negativen Einfluss auf die Finanzierungssituation und gefährde die Stabilität des Bankensystems, was sich wiederum lähmend auf die Gesamtwirtschaft auswirke.

Die Notenbanken haben laut Peter Bofinger keine Chance mehr, regulierend einzugreifen, wenn die Deflation erst einmal ausgebrochen ist. Die Politik könnte allerdings über die Löhne positiv auf die Entwicklung einwirken. Peter Bofinger sagt: „Idealerweise sollten sich Lohnerhöhungen am mittelfristigen Produktivitätsanstieg orientieren und einen Inflationsausgleich von knapp zwei Prozent enthalten. Dann könnten Deflationstendenzen vermieden werden.“ Die Bundesregierung müsse sich endlich überlegen, wie sie Investitionen gezielt fördern kann.

Erste Hinweise für eine deflationäre Entwicklung in Deutschland sind für Peter Bofinger nicht zu übersehen: „Die Preise für Wohnimmobilien sind in den letzten fünfzehn Jahren deutlich gesunken. Hinzu kommt die schwache Lohnentwicklung. Die Nettolöhne sind im vergangen Jahr bereits um 0,9 Prozent gesunken.“ Deutschland brauche dringend Anreize für mehr Investitionen. Außerdem rät der Wirtschaftsweise, dass Deutschland langfristig seine Abhängigkeit vom Export verringern müsse. Der Konsum sei preisbereinigt in Deutschland seit zehn Jahren auf dem gleichem Niveau.

Von Hans Klumbies