Ökonomen bezeichnen das Bankensystem oft als Herz einer Volkswirtschaft, da es Geld an die Stellen vergibt, wo es am dringendsten benötigt wird. Als das Bankensystem im Herbst des Jahres 2008 kurz vor dem Kollaps stand, kam die Kreditvergabe praktisch zum Stillstand und die Regierung musste eingreifen, um die Banken zu retten. Dies wäre laut Joseph Stiglitz der ideale Zeitpunkt gewesen, um darüber nachzudenken, wie man ein wirklich effizientes Bankensystem entwickeln kann, dass die Gelder dorthin lenkt, wo sie am dringendsten benötigt werden und wo sie am wirkungsvollsten und produktivsten genutzt werden. Es müsste ein Finanzsystem sein, das Haushalten und Unternehmen in gleicher Weise dabei hilft, Risiken wirksam abzusichern und das die Grundlage eines schnellen und kostengünstigen Zahlungssystems bildet. Der amerikanische Wirtschaftsforscher Joseph Stiglitz gilt als einer der einflussreichsten Ökonomen der Welt. Er lehrt an der New Yorker Columbia University. Im Jahr 2001 erhielt er den Nobelpreis für ein Werk über Informationsökonomie.
Die Banker wurden nicht zur Rechenschaft gezogen
Joseph Stiglitz schreibt: „Stattdessen ergriffen zwei aufeinanderfolgende US-Regierungen eine Reihe von Maßnahmen, um dem Finanzsystem zu helfen, ohne groß darüber nachzudenken, wie das Finanzsystem nach der Krise beschaffen sein sollte. Diese Maßnahmen beseitigten nicht die strukturellen Probleme des Bankensystems.“ Der Wirtschaftsnobelpreisträger ist der Ansicht, dass die US-Regierung, als sich an die Rettung der Banken machte, auch über Rechenschaftspflichten hätte nachdenken müssen.
Laut Joseph Stiglitz hätten die Banker, die dem Land das Debakel beschert hatten, für ihre Fehler zahlen sollen. Doch genau das Gegenteil geschah wie Joseph Stiglitz erklärt: „Stattdessen kassierten sie Milliarden von Dollar – dank der Freigebigkeit Washingtons sogar noch mehr, wie sich zeigen sollte.“ Der Kapitalismus kann seiner Meinung nach nicht funktionieren, wenn die privaten Vergütungen keinen Bezug mehr zu den volkswirtschaftlichen Erträgen haben.
Die Banken erhielten heimliche Geschenke in Höhe mehrerer Milliarden Dollar
Für Joseph Stiglitz ist es sehr wahrscheinlich, dass das Versagen der Regierungen Bush und Obama bei der Rettung des Finanzsystems zu den kostspieligsten Fehlern gehört, die eine moderne demokratische Regierung jemals machte. Joseph Stiglitz ergänzt: „In den Vereinigten Staaten näherte sich der Gesamtbetrag der Bürgschaften und Rettungspakete 80 Prozent des US-Bruttoinlandsprodukts an, etwa 12 Billionen Dollar.“
Zu den öffentlich bekanntgegebenen Summen kamen laut Joseph Stiglitz heimliche Geschenke an die Banken in Höhe mehrerer Milliarden Dollar hinzu. Hinzu kommen Stützungsaktionen, die zum Beispiel darin bestehen, den Banken praktisch zinslose Kredite zu geben. Mit diesem Geld können die Institute entweder Spekulationsgeschäfte tätigen oder es zu hohen Zinsen an Unternehmen weiterreichen. Joseph Stiglitz schreibt: „Viele Unternehmen (oder Privatpersonen) wären für ein zinsloses Darlehen dankbar – und könnten mindestens so stattliche Gewinne erwirtschaften wie die „erfolgreichen“ Banken.“
Von Hans Klumbies